Ein Mutationsmärchen. Remember Jimmy - the fuckin’ old horsefucker und sein letztes großes Ding. Die Show am Ende der Welt. Die Geschichte hat aufgehört zu existieren: Willkommen im schrecklichen Land, das nicht sein darf. Es ist der 18. September 1767, keiner hat Appetit auf Fisch. Palmen und Trümmer. Die Apokalypse ist vorbei. Am Morgen nach der Silvesternacht erwacht die Wilde Dreizehn aus ihrem tausendjährigen Schlaf. Wieder fällt einer besoffen vom Stuhl. The point of no return is over - revolver.
Die jüngste Arbeit des Performancekollektivs erzählt nichts weniger als die Geschichte vom Ende aller Geschichten – zugleich opulenter Nachruf auf das Vergangene und erbarmungsloses Zelebrieren des Einzigen, was da noch bleibt: berauschendes Chaos des gegenwärtigen Moments. Live Tonight!
Von und mit: Aline Benecke, Manuel Gerst, Sebastian König, Matthias Meppelink, Sahar Rahimi, Ina Vera. Technik: Walter Freitag, Rosa Wernecke
Premiere: 7.10.2006 Freischwimmer-Festival, Sophiensaele Berlin
Produziert im Rahmen des Freischwimmer-Festival (Kampnagel Hamburg, Sophiensaele Berlin, FFT Düsseldorf und Theaterhaus Gessnerallee Zürich), unterstützt durch die Giessener Hochschulgesellschaft, das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft und Gerriets
Live Tonight!
Frankfurter Rundschau "Bild der Zerstörung" von Volker Mazassek
Monster Trucks sind Geländewagen mit derart bizarr aufgemotztem Erscheinungsbild, das sie - je nach Standpunkt - als Vergötterung oder als Parodie des Prinzips Auto erscheinen. Monster Trucks sind also einerseits das perfekte Spielzeug für Männer, die mit automobiler Unterstützung Allmacht spüren wollen, andererseits eine bis zur Lächerlichkeit perfektionierte Maschine, die wie ein tumber Dinosaurier alles niedertrampelt.Die Performance-Gruppe Monster Truck, 2004 am Institut für angewandte Theaterwissenschaften in Gießen gegründet, bewegt sich in diesem Bezugsrahmen. Sie setzt in ihren Arbeiten auf die Kraft dynamischer Bilder, wobei sie aus dem Fundus von Film und Fernsehen und deren visuellen Strategien schöpft. In "Live tonight!" schoss eine Frau in einer Art Rakete in eine Wand aus Bierkisten. Ein Bild der Zerstörung, aus dem ein seltsames Episoden- Theater entstand.
Auch in "Comeback", das voriges Jahr das Plateaux-Festival im Mousonturm eröffnete und jetzt wiederaufgenommen wird, hat man es mit einem Schlachtfeld zu tun, auf dem die Gruppe mittels Laubbläser Zuckerwatte produziert und andere Spektakel zeigt, die an den Bildertaumel unserer Medienwelt erinnern. Eine Handlung gibt es nicht, Zusammenhänge bleiben vage. Manchem Kritiker ist das zu wenig, was der Truppe das Urteil eintrug, "in postmodernen Spielereien stecken zu bleiben".
www.derwesten.de "ein Gespräch mit der Theatermacherin Sahar Rahimi von der Gruppe Monster Truck" von Alexander Kerlin
Alexander Kerlin: Live Tonight beginnt mit einem kleinen Intro. Ein Mann und eine Frau treten vor dem zugezogenen Vorhang auf und machen Tiergeräusche. Dann geht der Vorhang auf und der erste Teil beginnt: „Die geheimnisvolle Frau in Rot.“. Man sieht eine Wand aus weißen Bierkästen, die den Bühnenraum komplett vom Zuschauerraum trennt. Sie ist für mich gleichzeitig vierte Wand und Kinoleinwand. Die macht den Raum erstmal zu. Auf diese Leinwand projiziert ihr katastrophische Bilder, im Grunde genommen Nachrichtenbilder. Atombombenexplosionen. Dann kommt eine Frau in rot auf die Bühne. Sie trägt einen Helm und klettert in eine Rakete, die mitten zwischen den Zuschauern platziert ist. Die Rakete crasht in die Wand aus Bierkästen. Die bricht völlig in sich zusammen, und es entsteht eine kraterartige, gespenstische Mondlandschaft. Nebel steigt auf. Dort sitzen fischige Wesen in brocken Kostümen. Was ist das für eine Welt?
Sahar Rahimi: Wenn ich jetzt anfangen sollte, zu analysieren, worum es da geht, dann müsste ich narrativ werden. Ich möchte aber nichts aufschlüsseln. Es gibt für uns schon so etwas wie eine Narration, die dahinter steht. Die ist aber nicht unbedingt linear. Die Dinge, die passieren, sind aber auch nicht willkürlich. Es ist uns wichtig, dass es eine innere Logik gibt. Die muss man als Zuschauer aber nicht verstehen. Mich fasziniert es im Theater, wenn ich merke, dass es eine Logik gibt, die mir fremd ist. Unsere Arbeit entsteht, indem wir erstmal viel ausprobieren. Nach dem Motto: Oh geil, das machen wir jetzt. Der zweite Schritt besteht dann darin, zurückzugehen, nachzudenken und die Dinge zusammenzufügen.
Alexander Kerlin: Für mich war das beeindruckend, wie diese Kinoleinwand in den Raum bricht, quasi zum Raum wird und ihm eine Art Landschaft verleiht. Für mich persönlich war es irgendwie logisch, dass hinter den medial produzierten, katastrophischen Bildern diese gespenstische Welt ist. Eine Welt voller Filmzitate, wie eine Hölle, in der berühmte Filmfiguren schmoren. Lauter Widergänger und Untote, die ein bisschen wie Sisyphos ihre Szenen wieder und wieder durchleben müssen.
Sahar Rahimi: Wir sammeln tatsächlich immer ganz viel Filmmaterial. Jeder schleppt irgendetwas an. Auf einer Probe haben wir zwei Fernseher nebeneinander gestellt und gleichzeitig Apocalypse Now und Vom Winde Verweht geschaut. Wir haben da mal den Ton lauter gemacht, und dann wieder da, und mit den Augen geswitcht. Ich könnte dir nicht konkret sagen, was davon übrig geblieben ist. Aber wie in Apocalypse Now erzählen wir den Weg eines Menschen in eine fremde Welt. Am Schluss von diesem Film gibt es ja dieses wahnsinnige Lager, mit Marlon Brando als Guru. Den Einfluss dieses Films könnte man vielleicht sehen. Wir haben viel Westernmusik verwendet, das hat uns auch interessiert. Wir sind auch von Westernliteratur ausgegangen. Aber gleichzeitig hatten wir das Bedürfnis, es nicht eindeutig zu machen. Wir benutzen zwar Westernmusik, ziehen aber diese Barockkleider an, und tragen Tintenfische als Masken vor dem Gesicht und goldene Helme. Es langweilt uns immer, wenn Theater verortbar wird. Wenn man denkt, aha, das sind jetzt die Cowboys, die da sitzen. Wir wollen immer noch stärker abstrahieren. Über Live Tonight könnte man sagen: Da ist eine Frau, die in eine fremde Welt einbricht, und am Ende wird jemand erschossen. Es geht uns aber darum, dass jedes Bild für sich einen Wert hat, ohne dass man es sofort dechiffrieren muss. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Bilder zu verstehen. In Manchester zum Beispiel wurde unsere Wand als Berliner Mauer gedeutet. Andere sagen, die Wand ist das World Trade Center. Dann halt die vierte Wand im Theater, oder die Schallmauer.